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Strategiediskussion
 

Eine Strategie – was folgt aufeinander?

von Klaus Buschendorf

„... Wie weiter? Viel wäre noch zu bedenken. Belassen wir es zunächst dabei.“ So endete meine letzte Folge. Sie hatte begonnen mit der Feststellung: „Nichts kann sich heute zum Guten verändern, wenn nicht zuerst den Bedürfnissen der Menschen Rechnung getragen wird ...“ Allein die Bedürfnisse der Menschen geben den Rahmen vor, was zuerst, was folgen und was zuletzt in Angriff genommen werden sollte. Deshalb können Programme nur einen Rahmen stecken, die Reihenfolge der Maßnahmen kann nur in der Dynamik der Bewegung gefunden werden. Nur für die nächsten Schritte sollte man sich die Ziele stellen. Allein die Möglichkeit, dass eine beginnende Volksbewegung immer breitere Kreise erreichen wird, wenn sie erfolgreich wirkt, wird ständige Veränderungen der unmittelbaren Zielstellungen erzwingen. Ein starres Schema ist also nicht dazu geeignet, erfolgreich zu sein. Diese meine Meinung wird viele „linke“ Gegner auf den Plan rufen, welche meinen, dass ich ja nur eine Verbesserung des Kapitalismus anstrebe, es aber darauf ankäme, ihn völlig zu stürzen. Ich halte solche Argumente für naiv. Warum?

Solche Fragen verlangen immer einen Rückblick auf die Geschichte. Wer hat denn in der Vergangenheit Namen für gesellschaftliche Zustände geprägt? Haben die Sklaven in Rom von der Slavenhalterordnung gesprochen, die Bauern vom Feudalismus? Immer waren es Nachgeborene, welche Namen für Vergangenes prägten. Wie lange hat es gedauert, dass sich der Begriff „Kapitalismus“ für unsere Zeit allgemein durchgesetzt hat? Liegt sein Ursprung nicht im Hauptwerk, das ihn beschreibt, im „Kapital“ von Marx? Und steht nicht in den Werken der Klassiker, dass sich die Keimzellen der neuen Gesellschaft schon in der alten Gesellschaft entwickeln, man es in der Zeit gar nicht weis und neue Zeiten immer allmählich aus den alten Zeiten wachsen? Wer also will heute rechten, was schon Sozialismus, vielleicht gar Kommunismus sein könnte? Wir sollten also, getreu diesen historischen Erfahrungen, uns hüten, einer neuen Zeit schon Namen geben zu wollen. Wir würden alle Klischees bedienen, welche Leute zu Namen schufen, die ihre ursprüngliche Bedeutung missbraucht haben. Und ich meine hier ausdrücklich die Namen Sozialismus und Kommunismus. Diese Worte haben Verfehlungen von Menschen gedient. Und so wie keine Eltern heute noch ihren Sohn Adolf nennen werden (obwohl der Name Adolf doch dafür gar nichts kann), sollten wir uns hüten, mit großen Namen für Kommendes um uns zu werfen! Das steht uns einfach aus historischer Erfahrung nicht zu. Bleiben wir in der Wortwahl bescheiden, konzentrieren wir uns auf das nächstliegend Machbare. Was könnte das sein?

Es ist das Gerechtigkeitsempfinden, welches heute in allen Bereichen des täglichen Lebens mit Füßen getreten wird. Scharen von Vertretern überfallen alte Menschen (und nicht nur diese), um ihnen ungerechte Verträge aufzuschwatzen. Ein „Rechtsstaat“ schützt einfache Menschen höchst wenig vor der Willkür von Konzernen, auch nicht vor Behörden. Verschlungene Gesetze, geschrieben von Lobbyisten, dienen zuerst dem Profitstreben der Konzerne, schamvoll der „Wirtschaft“ genannt. Und „Leistungsträger“ fordern, dass sich „Leistung wieder lohnen müsse“ – und meinen nur sich selbst. Und darum möchte ich mich heute wiederholen: „... Was muss man wollen? Was zuerst? Alles, aber auch wirklich alles, sollte einfach und selbst dem einfachen Menschen überschaubar bleiben und seinem Gerechtigkeitsempfinden entsprechen. Deshalb:

  1. Nur noch zwei Steuerarten:
    1. Einkommens- bzw. Gewinnsteuer pro Einkommen/Gewinn 20 % für natürliche und juristische Personen,
    2. Vermögenssteuer bei natürlichen Personen ab einer Höhe von Vermögen, welche das 20fache des Durchschnittsbürgers übersteigt,
    3. Alle anderen Steuern fallen weg.
  2. Grundeinkommen für Menschen ohne Arbeit (ohne Sanktionen und Nachweise),
  3. Mindestlöhne ein Drittel über Grundeinkommen,
  4. Maximallöhne als 20facher Wert des Durchschnittslohnes im jeweiligen Betrieb/Staat,
  5. Nebentätigkeiten werden grundsätzlich nur ehrenamtlich zugelassen,
  6. Monopol des Staates für Post und Telekommunikation, Eisenbahn, Nahverkehr, Straßen, Häfen und Flugplätze, Gesundheitswesen.

Warum? Damit wird der großen Mehrheit der Bevölkerung die Angst vor sozialem Abstieg genommen.“   
Dieses Programm ist natürlich unvollkommen, aber ein erster realistischer Forderungskatalog. Er reicht bei weitem nicht, aber könnte erste Erfolge erzielen. So sind wir doch in Deutschland schon auf dem Weg zu einem Mindestlohn, freilich in vielen kleinen Schrittchen, weil es keine machtvolle Volksbewegung für ihn gibt. Auch ein Grundeinkommen ist schon vorhanden. Dass es nicht genügt, noch mit Sanktionen belastet ist, will ich nicht leugnen. Doch der Prozess der Abwehr der neoliberalen Offensive gewinnt an Fahrt. Wir stehen auch nicht allein, Deutschland ist ein untrennbarer Teil Europas, andere Länder sind schon weiter. Deutschland ist aber auch das bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Land Europas, was in Deutschland sich ändert, hat immer Auswirkungen auf andere. Wir müssen es nur anpacken, die Linke sich einigen – und der Programmentwurf der Partei DIE LINKE könnte eine gute Basis bieten, sich zu einigen.
Wir dürfen aber auch nicht denken, dass all das aus „Vernunftgründen“ schon erfolgen werde. Klar haben schon Menschen auf der „anderen Seite der Barrikade“ gesagt: „... Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir werden gewinnen ...“ (Multimilliardär Waren Buffet Ende 2006 in der „New York Times“.) Die Vernunft dieser Menschen ist nicht die unsere. Vernunft allein bringt gar nichts für die einfachen Menschen.

Tätiges Handeln muss sich zur Vernunft gesellen. Dann werden die aufeinanderfolgenden Schritte auch im tätigen Handeln gefunden werden. Alles auf einmal – das geht niemals. 

 

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